Polizei neu denken

Der Veränderungsprozess hat nicht alle mitgenommen

Der Veränderungsprozess der Polizeiarbeit hat nicht alle Polizisten mitgenommen, viele Praktiker (und ihre Berufsvertreter) verklären noch das nostalgische Stadium, in dem angeblich »das Wort des Schutzmanns noch etwas gegolten hat«. Doch diese Zeiten sind vorbei, eine andere Gesellschaft ist nicht in Sicht. Es ist dringend nötig, Polizei neu zu denken. Und zwar radikal*.

* Dr Prof Rafael Behr in einem Interview in der Zeit online: Link zum Text

Wandel im Zentrum

Während meiner langjährigen Tätigkeit als Dozent hat mich der Wandel der Polizeiarbeit sehr stark beschäftigt. Praktisch in allen Themenbereichen von Menschenrechten über Ethik zur Interkulturellen Kompetenz steht der Wandel im Zentrum.

Es geht im Kern um die eigene Identität und die Interpretation der Rolle als Polizist/In und was der Bürger von der Polizei erwartet. Eigene althergebrachte Wertordnungen innerhalb der Polizei ("haben wir schon immer so gemacht") ist nicht zielführend und hat heute ausgedient.

In Bezug auf den Wandel ist eine wertkonservative Einstellung im Polizeiberuf unter anderem auch damit zu erklären, dass sich die Gesetze nie im gleichen Tempo der Gesellschaft anpassen können, wie sich die Gesellschaft verändert. Beispielsweise Internetkriminalität, Steuerbetrug, Cybersicherheit, Telefonbetrug, Cybermobbing, etc.
Somit richtet sich ein grosser Teil der Polizeiarbeit an Gesetzen aus, welche nicht dem Stand der Gesellschaft entsprechen. Dieser "Gap" gleichen die Richter mit entsprechend milden Urteilen aus, d.h. für den Cop auf der Strasse ein Schlag in die Magengrube, denn die ohnehin schon stumpfen Werkzeuge (Datenschutz, Persönlichkeitsschutz, Anwalt der ersten Stunde, etc.) werden durch die Urteile gefühlt noch stumpfer.

Eine professionelle wertkonservative Haltung darf aber nicht als Vorwand für eine totale Blockade gegen jegliche Art von Veränderung herhalten. Systemtheoretisch betrachtet kann aber ein Widerstand gegen zu schnelle Veränderung auch eine stabilisierende Wirkung im System und in der Organisation haben. Damit hat sich der Soziologe Max Weber ausführlich beschäftigt.

Der Kulturwandel hinkt hinterher

Mein Interesse an der Forschung hat sich deshalb immer mehr in Richtung Wandel verschoben. Inzwischen bin ich an einem Punkt angekommen, wo ich mich frage wie stabil ein solches System sein muss, um so viele Brüche (Fragmentierung) auszuhalten. Einige Strukturen der Polizei sind während dem Feudalismus entstanden. Die ständigen Reorganisationen in den letzten Jahren zeigen auf, dass die Struktur entsprechend der Gesellschaftlichen Anforderungen ausdifferenziert und angepasst wurde aber die Kultur hinkt diesem Prozess noch ein paar Jahre hinterher.

Wenn wir heute die Strategie aufstellen, dann müssen wir aufgrund des schnellen Wandels weiter in die Zukunft schauen, damit diese auch greifen kann. Hierbei verändert sich die Polizeiarbeit derart, dass ich die Worte von Raphael Behr unterstreichen möchte. Es steht für polizeiliche Verhältnisse ein radikaler Wandel an.

Die Entwicklung der Polizei wird sich in Richtung Bildung, Hochschule und Wissenschaft verschieben. Diese Entwicklung zeichnet sich schon seit Jahren ab, die älteren Generationen in den Führungspositionen konnten sich diesem Wandel entziehen, zukünftige Generationen werden dies, aufgrund der Anforderungen an den Beruf, nicht mehr tun können.

Dieser Blog soll vor allem diesem Thema gewidmet sein.

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